Nachhaltiges Design: Kann Ästhetik die Welt retten?
Carmen Gloger ist Designerin und fest davon überzeugt: Radikale Forderungen sind genauso wichtig wie Spiel und Leichtigkeit, um Veränderungen zu schaffen. Deshalb hat sie mit dem Klimaquartett einen spielerischen Zugang zur Klimakrise entwickelt. Im Gespräch mit unserer Verlegerin Eli Frenz erzählt sie von ihrer Idee, einer streng nachhaltigen Kindheit und warum Gestalter:innen mit Ästhetik die Welt retten können.
Interview: Eli Frenz / Fotos: Lukasz Chrobok / Illustrationen: Ann Christin Müller und Lukasz Chrobok
Ihr habt das Klimaquartett entworfen, das sich gerade in der Endphase im Crowdfunding befindet. Erzähl‘ doch mal: Was ist das Klimaquartett?
Carmen Gloger: Wir wollen mit dem Klimaquartett einen spielerischen Umgang mit einem schweren Thema erreichen. Wir wissen alle um die Problematik des Klimawandels und viele von uns setzen sich damit auseinander, was wir auf individueller, gesellschaftlicher und politischer Ebene tun müssen. Gleichzeitig gibt es Leute, die sich weigern, irgendwas zu tun. Andere fühlen sich überfordert und hilflos, wieder andere können das Thema nicht mehr hören.
Das Klimaquartett soll ein Werkzeug sein, um sich dem Thema zu nähern, denn es holt jede:n an irgendeiner Stelle ab. Du kannst das Spiel zum Beispiel mit deiner Großmutter spielen und so ein Gespräch in Gang bringen. Du kannst es aber auch einfach nur spielen. Dann hast du ein ästhetisches Spiel mit schönen Illustrationen und Farben.
Wie in jedem Quartett gibt es auch bei euch die guten und die schlechten Karten. Wandern und Radfahren sind in gleich zwei Kategorien die besten Karten im ganzen Spiel.
Carmen Gloger: Sie stechen andere Karten auf mehrere Ebenen aus: Wandern und Radfahren kosten wenig, haben einen niedrigen CO2-Ausstoß und verbrauchen kaum Ressourcen. Deswegen passt der WOCHENENDER mit seinen wunderbaren Tipps, Wanderungen und Radtouren auch so gut zu uns und ist Teil von einem unserer Dankeschön-Sets im Crowdfunding.
Wie kamt ihr denn überhaupt auf die Idee?
Carmen Gloger: Das Thema Nachhaltigkeit ist mir in die Wiege gelegt, meine Mutter hat den ersten Bioladen Deutschlands mit aufgebaut. Außerdem sind Lukasz, mein Partner, und ich beide politisch engagiert und geprägt. Ganz konkret wurden wir aber vor zwei Jahren von der Fridays-for-Future-Bewegung angesprochen, um Plakate zu entwickeln. Seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Ich verstehe und schätze die Relevanz von Gruppen wie Extinction Rebellion, aber ich glaube, es braucht unterschiedliche Ebenen, das Thema anzugehen. Strenge und radikale Forderungen sind wichtig, um Veränderung zu schaffen, aber Spiel und Leichtigkeit auch.
Wir versuchen mit dem WOCHENENDER ja auch, die Leute auf eine spielerische Art und Weise zu klimabewusstem Reisen zu inspirieren. Dabei hatte ich ursprünglich gar nicht die Idee, ein Buch zum Thema Nachhaltigkeit zu machen. Das ist eher aus meinem Leben heraus entstanden und ich bin ganz intuitiv der Bewegung von Fridays for Future gefolgt, die später von der Pandemie und den Lockdowns weiter befeuert wurde.
Doch Abgesehen von der inhaltlichen Dimension: Wie wichtig ist euch eine nachhaltige Produktion eures Spiels?
Carmen Gloger: Ich komme aus einem radikalen Haushalt und habe schon immer Wert daraufgelegt, dass Dinge fair, sauber und im eigenen Land produziert wurden. Doch ich liebe Gestaltung und diese Produkte aus meiner Kindheit waren mir oft zu fad, zu kratzig, zu unkonkret. Die Philosophie und das Handwerk hat mich überzeugt, aber die Ästhetik selten. Als Designerin habe ich also auch immer eine Revolution gegen die Bildsprache meiner Kindheit geführt. Doch Design und Nachhaltigkeit gehen für mich sehr gut Hand in Hand. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass man es den Dingen immer ansieht, wenn sie mit guten Materialien gemacht sind. Sie haben einen anderen Griff, eine andere Wertigkeit. Sie haben eben Seele.
Deshalb war für mich auch klar: Wenn wir das Klimaquartett machen, darf es keine Kompromisse geben. Wir haben zum Beispiel ewig nach einem Papier gesucht, dass unsere Ansprüche an Aussehen und Haptik erfüllt, aber auch politisch korrekt ist. Dann haben wir ENDLICH ein Papier gefunden, nur um dann festzustellen, dass es in den USA produziert und mit dem Schiff einmal um die halbe Welt transportiert wird. Also nochmal alles zurück!
Jetzt haben wir ein 100 Prozent recyceltes Papier aus Deutschland. Wir produzieren regional und klimaneutral, verwenden keinen Kleber, die Schachtel ist gefaltet. Normalerweise sind Kartenspiele mit einer Plastikschicht überzogen, damit sie sich nicht so schnell abnutzen. Auch das haben wir weggelassen. Es ist doch okay, wenn man den Alterungsprozess irgendwann sieht. Umso achtsamer muss man mit dem Spiel umgehen und eben damit leben, dass es Spuren sammelt. Und wenn die Karten irgendwann wirklich durch sind, kann man sie bedenkenlos einpflanzen und wieder in die Natur übergehen lassen.
Ich komme wie du aus einer Generation, in der Ökologie negativ konnotiert war. Und ich merke immer noch an mir selbst, wie schwer es manchmal fällt, die alten Klischees loszulassen. Das gilt für viele unserer Reiseziele aus den Büchern genauso. Dithmarschen zum Beispiel ist für viele völlig unattraktiv. Da will kaum jemand hin. Als ich dann eher zufällig dort gelandet bin, habe ich gemerkt, dass es wahnsinnig schön ist, dass die Menschen toll sind, die klassischen Kohlgerichte superlecker. Mit Design ist es ähnlich und inzwischen hat sich das Image von Nachhaltigkeit und nachhaltigem Design ja völlig gewandelt. Wie hast du diese Entwicklung wahrgenommen?
Carmen Gloger: Ich glaube, das ist auf vielen Ebenen parallel passiert. Einen relevanten Teil an der Entwicklung haben auch Social Businesses wie Viva con Agua. Viele dieser Socials haben gute Produkte und Philosophien entwickelt und gleichzeitig eine neue Gestaltung und Kommunikation geschaffen. Die künstlichen Welten haben langsam ausgedient und wir sehnen uns nach handgemachten, echten Dingen – egal ob das ein Spiel, ein Buch, eine Reise oder ein Essen ist. Als Gestalter:innen haben wir die Chance, die alten Geschichten neu zu erzählen. Über eine neue Ästhetik. Über Bilder, Farben, Haptik und Materialien. Genau das machen auch eure Bücher. Ihr erzählt die Geschichte neu und habt eine Ästhetik geschaffen, die eben nicht nach Dorfbutze riecht, sondern Lust macht, in diese Welten einzutauchen.
Dass die Sehnsucht nach handgemachten, echten Dingen größer wird, merke ich alleine daran, dass unser Band „Hofläden und Manufakturen“ eines unserer erfolgreichsten Bücher ist. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn wir unseren kleinen Beitrag leisten und die Leute wortwörtlich mit den Füßen auf der Erde bleiben. Was wünscht du dir für die nächsten Jahre?
Carmen Gloger: Ich wünsche mir, dass wir nicht mehr so viel abheben, down to earth bleiben, in allen Bereichen des Lebens. Je bodenständiger und verbundener wir mit der Welt sind, desto besser. Daran führt kein Weg vorbei.
Jetzt unterstützten! Das Crowdfunding für das Klimaquartett läuft noch 8 Tage: startnext.com/klimaquartett