„Von Anfang bis Ende ist alles echtes Handwerk “

Falk Petersen hatte sich sein Leben eigentlich anders vorgestellt. Er wollte weg von der Insel, hinein ins wilde Leben. Dann wurde er mit 23 Jahren Vater und mit 26 Chef einer alteingesessenen Töpferei, im Dorf Süden auf Nordstrand. Im Gespräch erzählt er uns von Glasuren und Engoben, vom Leben auf dem Mars und davon, wie viel ihm sein Seelenfrieden wert ist.

Interview: Nikolai Antoniadis

Fotos: David Maupilé

Töpfern ist offen gestanden nicht unbedingt ein Handwerk, das ich besonders mit der Gegenwart verbinde oder mit jungen Menschen. Ich denke eher an Töpferkurse in der Grundschule oder an 1980er-Klischees wie in „Ghost. Nachricht von Sam“.

Ja, Ghost nehme ich immer gern mit. Das entspricht auch 100 Prozent der Realität: Denkt man gar nicht, aber genauso ist es. (lacht)

Im Ernst, wie bist du zur Töpferei gekommen?

Ich hatte das eigentlich auch nicht auf dem Schirm. Eher im Gegenteil. Ich hätte damals durchaus noch länger Blödsinn getrieben als einen Job anzufangen, nur fürs Geld. Das war noch nie was für mich. Ich habe Musik gemacht, Schlagzeug in verschiedenen Bands gespielt und wollte auch immer nur Musiker werden. Das war mein Ding. Aber meine Eltern haben mir gesagt: „Junge, für den Fall, dass das mit dem Rockstar wider Erwarten doch nichts wird, lern doch erstmal irgendwas. Irgendwas!“ Ich habe deshalb nach einer Ausbildung gesucht, wo ich kreativ sein kann, wo ich mit den Händen arbeiten kann. Ich habe in Hamburg gesucht, in Kiel, in Flensburg – aber genommen wurde ich dann hier auf Nordstrand, bei Lauri Jacobsens Töpferei in Süden. Der hat zu mir gesagt: „Du kannst hier sofort anfangen, aber wenn du Geld verdienen willst, dann geh’ bloß woanders hin!“ Das sage ich meinen Lehrlingen heute auch noch. Die Stimmung in der Werkstatt war gut, ich mochte das Material, und dann kam eines Tages eine Wandergesellin vorbei, ein Bau-Keramikerin mit ihrem Hund Artur, und da wusste ich: Ich kann auf Wanderschaft gehen! Soweit lief alles nach Plan.

Aber dann…

Dann bin ich auf die Walz gegangen und in der Eifel hängen geblieben, wo ein glatzköpfiger Stuttgarter einen Musikerhof betrieben hat. Da habe ich mich verliebt, bin Vater geworden und habe dann praktisch drei Jahre lang wie auf dem Mars gelebt: unter verrückten, tollen Musikern; ich habe meine eigene kleine Werkstatt aufgebaut, in der ich das erste Mal nicht für einen Meister gearbeitet habe, sondern mich mit eigenen Formen auseinandergesetzt habe, mit der Verarbeitung von Porzellan und Steinzeug. Aber auch diese Zeit war irgendwann vorbei. Ich habe meinen früheren Chef angerufen, Lauri, und ihn gefragt, ob er Arbeit hat. Er hat gesagt: „Ja, ich habe richtig viel Arbeit für dich! Du kannst den ganzen Laden haben.“ Und so bin ich 2011 an die Töpferei geraten.

Das ist ja fast schon ein Traditionsunternehmen.

Die Firma in diesem Haus ist in ihrem 37. Jahr. Wenn das Jahr zu Ende geht, gehen zehn Jahre davon auf meine Kappe.

Gut, also wenn du die Firma an deine Söhne übergibst, dann wird es ein Traditionsunternehmen.

Vielleicht, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie stattdessen etwas Anständiges lernen.

Wo hast du die Designs her? Entwirfst du die selbst oder sind das alte, übernommene Formen?

Wir sind ein relativ konservativer Betrieb. Unsere Designs gibt es seit Beginn des Unternehmens. Manche, wie zum Beispiel das am häufigsten gemalte Fischmuster, haben wir von einem Wattenmeerfund übernommen. Mein Vorgänger Lauri hat aus allen Ecken der Welt mit den Augen gestohlen.

Die Designs sind also firmeneigen.

So ist es. Wir sind geprägt von einem Wiedererkennungswert. Es gibt Familien, in denen die Eltern heute in meinem Alter sind und ihren Kindern vor dem Fenster sagen: „Guck mal, die hatte ich auch schon als Kind und habe dem Töpfer zugesehen, wie er sie gemacht hat.“ Gleichzeitig habe ich Mitarbeiter, die arbeiten hier schon länger als ich lebe. Ich habe von denen gelernt.

Das hört sich sehr familiär an.

Das ist auch so. Bis auf meinen Lehrling bin ich hier immer noch der Jüngste, und fast jeder kennt mich noch als Stift. Das ist auch gut so. Ich bin nicht der typische „Chef-Chef“. Ich brauche dieses Gefälle nicht, ich habe die Leute gern auf Augenhöhe. Außerdem: Was soll ich denen denn erzählen? Die machen das länger als ich lebe. Wir kennen uns alle lange, und ich glaube, jeder arbeitet hier gern. Es ist einfach so, dass man in diesem Beruf nicht reich wird oder großen Ruhm erlangt, aber jeder hat eine gute Zeit auf Arbeit. Das war mir von Anfang an immer wichtig. Ich habe immer gedacht, dass ich einen zu großen Teil meines Lebens arbeiten werde, als dass es mir egal sein könnte, was für eine Arbeit ich mache. Wie viel Geld ist deine Zeit denn wert? Das kann man nicht bemessen.

A propos Zeit: Töpfern ist ja ein sehr aufwendiges Handwerk. Wie lange dauert es vom Anmischen des Tons bis zur fertigen Friesentasse?

Wir rechnen üblicherweise, dass ein Auftrag vier bis sechs Wochen dauert. Wobei man sich das nicht so vorstellen darf, dass wir diese ganze Zeit daran arbeiten. Es gibt immer wieder Wartezeiten. Wenn ich den Pott frisch gedreht habe, braucht er ein, zwei Tage, bis die Hälfte des Wassers rausgetrocknet ist, damit ich ihn weiter bearbeiten kann. Dieser Zustand nennt sich „lederhart“. Dann kannst du die Stücke anfassen, Henkel befestigen, etwas ausschneiden, Tüllen anmontieren, den Fußring ausdrehen, glätten. Das ist der zweite Arbeitsschritt des Töpfers. Dann wird gemalt, dann wieder getrocknet. Dann glasiert, danach komplett trocknen lassen, dann der Ofen. Du kannst sicher sein, dass jedes Stück, das du bei uns kaufst, von mindestens fünf Leuten per Hand bearbeitet wurde.

Macht ihr alle Arbeitsschritte per Hand?

Ja. Wir mischen unseren Ton selbst, nach eigenem Rezept aus verschiedenen Tonmehlen, wir mischen die Glasuren selbst, die Engoben, mit denen wir malen. Es wird alles von Hand gedreht, von Hand glasiert, der Gasofen wird manuell gesteuert. Wir schreiben auch unsere Rechnungen von Hand. Alles ist von Anfang bis Ende echtes Handwerk, und das ist auch, was uns ausmacht.

Du wohnst in Süden. Kommst du damit klar, mit dem Leben auf dem Land? Du hast gesagt, du wolltest Musiker werden, vielleicht willst du ja mal ein Konzert sehen oder in die Kneipe gehen…

Das Leben als Musiker habe ich mir längst abgeschminkt. Ich habe sehr viele Musiker kennengelernt, ich habe auch sehr viele Freunde, die Berufsmusiker sind, erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Und ich weiß heute, dass ich es als Töpfer nicht schlecht habe. Das Leben hier auf dem Land ist ganz klar ein anderes, aber mein Leben hat sich ohnehin etwas anders entwickelt: Ich bin mit 23 Vater geworden und mit 26 Firmeninhaber und mit 27 noch mal Vater. Ich habe die Zeit von 23 bis jetzt anders verbracht als viele meiner Altersgenossen. Ich muss mir ein paar Mal im Jahr meinen Trubel abholen, ich fahre dann gern nach Hamburg oder auf ein Festival. Aber das reicht mir auch. Ich könnte mir nicht vorstellen, mit Kindern in der Stadt zu leben, auch weil ich meine eigene Kindheit hier auf Nordstrand verbracht habe. Natürlich gibt es hier nicht die subkulturelle Vielfalt, ganz allgemein nicht wirklich viel kulturelles Angebot, aber dafür gibt es sehr viele sehr gute Leute. Und was ich vor allem anderen wahnsinnig schätze, ist die Ruhe. Egal, woher die Urlauber kommen: Alle kommen dauergestresst und brauchen erst mal ein paar Tage, um herunterzufahren. Dann wird mir am deutlichsten bewusst, in welcher Ruhe ich hier agieren kann. Ich meine, ich habe auch jede Menge Stress: Aber das Grundgefühl ist viel unaufgeregter.

Nordstrander Töpferei
Süden 44, 25845 Nordstrand
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